Habt ihr schon bemerkt, dass all eure Sinne mit natürlicher Ernährung wieder viel feiner werden? Der Geschmackssinn erholt sich von dem Überschuss an künstlichen Gewürzen, Salz, Geschmacksstoffen usw und plötzlich erlebt ihr wahre Geschmacksexplosionen, merkt wieder, wie intensiv & gut Apfel, Brokkoli, Spinat … schmecken. Auch der Geruchssinn wird wieder viel empfindlicher. Was beim Essen (Geschmack & Geruch hängen ja eng zusammen) angenehm ist, den Aufenthalt in vollen Bussen, auf befahrenen Straßen, in Läden usw jedoch manchmal zu einem Problem werden lässt.
Der Geruchssinn beeinflusst viele unserer Entscheidungen. Ich rede jetzt nicht von Pheromonen, also Duftstoffen, die wir unterhalb unserer Wahrnehmungsschwelle, unbewusst, wahrnehmen. Sondern von den vielen (ca. 10.000) Gerüchen, die wir bewusst wahrnehmen & unterscheiden können (wenngleich nicht unbedingt benennen). Ob wir einen anderen Menschen anziehend finden, wird nicht zuletzt durch dessen bewusst wahrnehmbaren Geruch bestimmt. Und der wiederum durch das, was Mensch so zu sich nimmt. Was die Partnersuche für Roh-VeganerInnen nicht unbedingt einfacher gestaltet … aber das ist nicht das Thema, über das ich heute schreiben möchte.
Ganz klar, auch die Auswahl unserer Nahrung folgt zu einem großen Teil dem Geruch, den wir wahrnehmen. Die Instinktos lehren es sogar genau so: zur Auswahl stehendes Essen wird durchgerochen; ausgewählt wird, was am besten riecht. In Seminaren wird das so praktiziert, dass mit verbundenen Augen gerochen wird, um sich nicht durch den Anblick (& eventuelle kopfgesteuerte Vorbehalte) beeinflussen zu lassen. Klingt irgendwie sinnvoll. Jedoch: auch unser Riechempfinden ist stark verbunden mit Emotionen, Erinnerungen. Die Bewertung von Riechstoffen findet vor der Erkennung des Geruchs statt. Und wird überwiegend in den ersten 5-10 Lebensjahren gelernt. Wie oft folgt eine derartige Nahrungsauswahl wohl nicht dem Instinkt, dem tatsächlichen Bedarf, sondern einer Erinnerung an frühere Genüsse, an angenehme Gefühle, die unser Gehirn mit diesem Geruch verbindet? Es gibt einige Essensgerüche, die ich noch immer als angenehm empfinde, obwohl ich das, was da riecht, schon seit vielen Jahren nicht mehr als Teil der Palette potentieller Nahrung empfinde. Bei den meisten Gerüchen hat sich das geändert. Was vielleicht mit an der gestiegenen Sensibilität liegt. Unser Gehirn lernt jedoch ganz sicher auch in dieser Hinsicht immer weiter. Wir werden weiterhin geprägt durch die Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit einem bestimmten Geruch machen – wer sich einmal mit etwas den Magen verdorben hat, der wird dessen Geruch auf sehr lange Zeit hinaus nicht mehr ohne Übelkeit ertragen können.
Besonders faszinierend finde ich in diesem Zusammenhang die so krass unterschiedlichen Reaktionen auf Durian-Geruch. Ich empfinde den Geruch seit meinem ersten Kontakt mit einer frischen, reifen Durian, noch bevor ich sie gegessen hatte, als wundervoll. Betörend. So geht es den meisten mir bekannten RohköstlerInnen. Einige haben mir berichtet, dass sie den Geruch zu Anfang unangenehm fanden & sich das erst gewandelt habe, nachdem sie – trotz des Geruchs – probiert haben. Wohingegen ich nur einen einzigen Nicht-Rohköstler kenne, der den Geruch ebenfalls mag. Alle anderen finden ihn so abstossend, dass sie diese Frucht auf keinen Fall probieren könnten. Wobei der Zusammenhang wohl weniger mit der Rohkost als mit einer halbwegs natürlichen, zusatzstoff-freien Ernährung besteht. In den Heimatländern der Durian, Thailand z. B., mögen wohl viel mehr Menschen Durian – obwohl auch da offenbar die Vorlieben auseinander gehen (es gibt ein Durian-Denkmal, aber auch Verbotsschilder an öffentlichen Verkehrsmitteln, in Hotels etc.). Ich habe gelesen, das mit der zunehmenden Verbreitung von verarbeiteter Nahrung immer mehr junge Menschen keine Durian mehr mögen … vielleicht stimmt es, dass diese Frucht (durch ihre relative Ursprünglichkeit?) eine stark entgiftende Wirkung hat, gegen die sich ein von künstlichen Nahrungsmittelzusätzen belasteter Körper wehrt?!?
Noch mal zurück zur „instinktiven“ Nahrungsauswahl, nach Geruch & Geschmack. Manche Nicht-Veganer behaupten, Instinkt & Veganismus schlössen sich aus. Ich sehe das nicht so. Selbst dann nicht, wenn ich meine Sinne diesbezüglich rein auf den Geruch beschränke. Wobei auch unsere übrigen Sinne ja einen Zweck haben … Kürzlich hat sich die Tochter über die süßen Kaninchen vor einem Laden gefreut, wollte sie streicheln, kuscheln, … ich habe ihr nicht gesagt, dass der Laden eine Fleischerei war. Wer, bitte, empfindet beim Anblick von Kaninchen – oder auch beim Blick in wunderschöne Kuh-Augen, das Verlangen, dieses Tier zu töten um es zu essen??? Beim Gang über den Fischmarkt, mit all den herumliegenden toten Fischen, empfinde ich auch allenfalls Mitgefühl für die Tiere, jedoch keinesfalls Appetit darauf sie zu essen.
Okay, also nur der Geruch. Wart ihr mal in der Nähe eines Schlachthofes? In einer Fleischerei? Dieser intensive, ekelerrregende Geruch von totem Fleisch, Blut … mag ja sein, dass es Menschen gibt, die ihn wirklich appetitanregend finden. Ich finde ihn grauenhaft. Abstoßend.
Fleischessende Rohköstler haben mir erzählt, dass sie mit Fisch angefangen haben. Mit getrocknetem Fisch sogar. Frischer ging erst später. Und Fleisch (das ja auch nicht frisch sondern „abgehangen“ gegessen wird) war eine Hürde, etwas, an das sie sich erst gewöhnen mussten, sich zu Anfang überwinden mussten, es zu essen. Später geht es dann immer leichter … Instinkt??? Wohl eher das Gegenteil. Das Austricksen des Instinkts – genauso wie ich ihn mit Mischen & Zubereiten austricksen kann. Und sogar die Überwindung des Instinktes, das bewusste Handeln dagegen.
Mein Instinkt reagiert jedenfalls auf frische, lebende potentielle Nahrung. Und sagt ja zu Früchten, grünen Blättern, ab und zu Gemüsen, Nüssen, Kernen. Und eindeutig nein zum Essen von Tieren!