Momentan kursieren viele Artikel rund um das Thema „Nüsse vor dem Verzehr einweichen“ durch das Netz. Welchen Sinn hat das Einweichen der Nüsse und Samen, und ist es wirklich nötig?
Ich orientiere mich ja am liebsten an der Natur, bzw. frage mich: wie wäre dies bei einem wirklich natürlichen Lebenswandel?
Würden wir Nüsse und Samen, die wir sammeln, dann stunden- oder tagelang einweichen und evtl. anschließend wieder trocknen? – Wohl kaum.
Würde es uns schaden, Nüsse und Samen uneingeweicht zu essen? – Das glaube ich nicht, weil ich davon überzeugt bin, dass die Natur gut für uns sorgt!
Allerdings: Wie oft und in welchen Mengen würden wir bei einem Leben in und mit der Natur Nüsse und Samen finden?
Nüsse reifen im Herbst, in Deutschland z. B. Walnüsse und Haselnüsse, und können in der Zeit gesammelt und gegessen werden. Mit Schale – d. h., das Essen dauert so seine Zeit und du wirst dir kaum in einer halben Stunde nebenbei mehrere Handvoll Nusskerne einverleiben. Auch Samen würdest du, pur und unvermixt, wenn überhaupt vermutlich nur in recht kleinen Mengen zu dir nehmen wollen. Und können. Denn überleg auch einmal, welche Samen du überhaupt finden würdest.
Nun möchte ja auch niemand frische Nüsse und Samen einweichen, sondern es handelt sich dabei immer um die getrockneten, gelagerten Kerne, die wir (außerhalb ihrer Saison und/oder weit weg von ihrer Herkunfstregion) essen wollen. Welchen Sinn hat hierbei das vielbeschworene Einweichen?
Nun, sowohl Nüsse als auch Samen sind eigentlich dafür gedacht, neue Pflanzen hervorzubringen. Sie können keimen und dann zu ganzen Bäumen (oder anderem) heranwachsen. Dafür brauchen Sie geeignete Bedingungen, auf die sie, falls nicht vorhanden, sehr lange warten können. Denn die Natur ist klug und sorgt dafür, dass Samen und Nüsse erst unter geeigneten Bedingungen zu keimen beginnen. Eine dunkle, feuchte, warme Umgebung wäre eine solche „geeignete Bedingung“. Solange Nüsse und Samen trocken lagern, keimen sie also nicht.
Jedoch tragen sie in sich alles was sie zum Keimen brauchen. Unter anderem die Phytinsäure. Diese bindet Mineralien, wie das Phosphor, dass dem Keim als Nährstoff diesen soll, wenn er beginnt zu wachsen. Leider bindet Phytinsäure beim Verzehr aber auch die Mineralien im menschlichen Organismus, so dass dein Körper Magnesium, Kalium, Eisen, Zink etc trotz ausreichender Aufnahme, nicht nutzen kann. In ausreichend warm-feuchter nun Umgebung beginnt die Nuss bzw. der Samen zu keimen. Dabei wird die Phytinsäure umgewandelt – man nennt diesen Vorgang Hydrolyse -, so dass sie die gespeicherten Mineralien für den entstehenden Keim freigibt. Je länger die Kerne keimen, desto mehr Phytin wird abgebaut bzw. desto weniger bleibt übrig. Die (an-)gekeimten Kerne kannst du also unbesorgt essen, ohne dass sie sich negativ auf deine Mineralienversorgung auswirken werden.
Kümmern musst du dich um die Phytinsäure allerdings nur, wenn du häufig große Mengen nicht-frischer Nüsse, Samen, Kerne isst. Ansonsten stellt sie nicht nur kein Problem dar, sondern wirkt sich sogar positiv auf den Körper aus. Z. B. wirkt sie antioxidativ, d. h., sie schützt vor freien Radikalen und damit z. B. vor der Entstehung von Krebs. Darüberhinaus verlangsamt sie die Stärkeverdauung und hält damit den Blutzuckerspiegel lange konstant.
Zurück zur Frage, ob das Einweichen von Nüssen und Samen denn nun sinnvoll oder gar notwenig ist. Vielleicht kannst du dir meine Antwort bereits vorstellen?
- Sinnvoll und einer natürlichen Ernährungsweise entsprechend ist es, Nüsse und Samen nur im „natürlichen“ Umfang zu essen. D. h., nur dann, wenn sie in deiner Region reifen. Nur frisch aus der Schale. Unverarbeitet. Nur in den Mengen, in denen du sie finden und direkt essen könntest. Punkt.
- Auch der seltene Verzehr kleiner Mengen von trockenen, ungekeimten Nüssen und Samen ist unkritisch.
- Falls du jedoch trotzdem abgepackte, nicht-saisonale, nicht-regionale Nüsse oder Samen öfter und in großen Mengen essen möchtest, solltest du sie tatsächlich besser vorher einweichen. Und vorzugsweise frisch angekeimt essen – statt sie anschließend wieder zu trocknen. Mit jedem weiteren Verarbeitungsschritt, mag er auch der Temperatur-Definition folgend sich innerhalb der „Roh“kost abspielen, entfernst du dich wiederum weiter von einem lebendigen, natürlichen Nahrungsmittel. )
Editiert am 28.2., um einen Fehler zu berichtigen. Durch das Enzym Phytase, ebenfalls in keimenden Samen enthalten, wird das Phytin hydrolysiert und dadurch die Phosphorsäure freigesetzt. Danke an Susanne für ihren Hinweis, siehe Kommentare.
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Phytase ist das Enzym, das Phytinsäure spaltet, der Vorgang als solches ist eine Hydrolyse. 🙂
Ansonsten kann ich deinen Antworten auf die Frage, ob das Einweichen von Nüssen und Samen sinnvoll ist, nur zustimmen. Meine Erfahrungen: Frische Nüsse und Samen direkt vom Baum bzw. der Pflanze tun gut, geben Lebensenergie. Länger gelagerte Ware nicht, geschälte schon gar nicht. Auch das Einweichen macht Nüsse und Samen nicht mehr lebendig im ursprünglichen Sinn.
Oops 😉 Da hab ich wohl nicht aufmerksam genug recherchiert. … Danke für den Hinweis, ändere ich gleich mal im Text.