maus

Lektionen mit Maus: Lebensgesetze und Botschaften

Eigentlich wollte ich ja endlich mal wieder etwas „Bodenständigeres“ schreiben. Da stehen ein paar Artikel auf meiner Planungsliste bzw. sind in Arbeit. Über das Leben mit Rohkost-Kindern, die Teenager werden. Zum Beispiel. Über das Lösen von Blockaden auf körperlicher Ebene, Entgiftung, Reinigung.  Doch gestern ist hier etwas geschehen, was mich ziemlich aufgewühlt hat. Manches angetriggert hat, viele Fragen & auch Einsichten hochgebracht hat. Was mich auch heute noch beschäftigt, und was ich gerne teilen möchte. Weshalb ich mich entschieden habe, heute darüber zu schreiben, und die eigentlich geplanten Artikel zu verschieben.

Erst mal kurz, was geschehen ist:

In meiner derzeitigen Küche gehen, wie an vielen Orten auf dieser Insel, die Mäuse ein und aus. Zwar ist es mir gelungen, einige ihrer Zugänge zu finden und zu verschließen, doch eine von ihnen hatte sich entschieden, hier einzuziehen und einfach drinnen zu bleiben. Ich hatte ein Arrangement gefunden, um damit zurechtzukommen, und es hat ganz gut funktioniert; sprich: ich war im Frieden mit der Maus hier drin, hätte aber auch nichts dagegen gehabt, wenn sie wieder ausgezogen wäre.

Nun sind wir gestern vom Markt zurückgekommen und haben die Maus im Waschbecken sitzend vorgefunden. Sie ist wohl da hineingefallen, und kam alleine nicht wieder raus. Zwar können die Tierchen sehr hoch springen, sie hat es auch versucht, aber es ist ein tiefes Becken; sie hat es nicht geschafft.

Ich wollte die Gelegenheit nutzen und die Maus aussiedeln. So dass sie wieder draußen in Freiheit leben könnte – und ich meine Küche wieder für mich hätte. Ich habe sie also in eine Dose gesetzt (damit sie mir nicht gleich wieder aus den Fingern entwischt), Deckel drauf, und sie nach draußen getragen, ans untere Ende des Gartens. Die Tochter und die Hündin sind mitgelaufen. Unten habe ich die Maus dann rausgesetzt. Nach außerhalb des Zaunes, damit sie weglaufen und ein neues Zuhause finden kann. Das hatte ich vorher schon einmal mit einer anderen Maus gemacht, und die war auch wie geplant weggelaufen.

Aber diese Maus … ist sofort wieder durch den Zaun hineingeklettert, direkt auf die Hündin zugelaufen … und von dieser gefressen worden.

… … … . Oh nein.

Bedauern. Trauer. Schuldgefühle. Das wollte ich doch nicht. Viele Emotionen, viele Gedanken, ich bin schuld, was hätte ich anders machen können … Erinnerungen an andere Geschehnisse in meinem Leben, bei denen ich mich auch schuldig gefühlt habe. Verantwortlich.

Schmerz.

Ich habe all das gefühlt, angesehen, so gut wie möglich da sein lassen. Es in mir „sinken lassen“. Beobachtet, wie mein Verstand sofort in seine bewährten Muster zur Schmerzvermeidung (Verteidigungsmodus, Erklärungsversuche) springen wollte.

Nach einer Weile hat sich der Sturm in mir gelegt. Und ich konnte, wieder ruhiger und friedlicher in mir, beginnen zu schauen, was da alles geschehen war. Fragen finden, auch Antworten. Schauen, was es mir zeigt. Es ist alles noch sehr frisch … und klingt demzufolge möglicherweise auch noch entsprechend durcheinander. Trotzdem ist es mir wichtig, es heute nicht nur für mich sondern auch für dich, öffentlich, aufzuschreiben. Und so auch den Prozess zumindestens teilweise mit dir zu teilen.

– Ich habe die Fallen, die die Besitzer der Finca hier aufgestellt hatten, abgelehnt bzw. deaktiviert. Es ist nicht mein Weg, Lebewesen zu töten, weil sie dort leben wollen, wo ich auch leben will. Ich finde nicht, dass mein Recht, hier zu sein, irgendwie größer ist als ihres. Ich habe der Maus seit Monaten jeden Abend einen kleinen Teller mit Essen hingestellt und sie gebeten, meine übrigen Sachen in Ruhe zu lassen. Außerdem hab ich alles andere so aufbewahrt, dass sie nicht mehr dran konnte (in Gläsern etc). Ich habe mich damit abgefunden, jeden Morgen die Küche „innen und außen“ saubermachen zu müssen, weil Mäuse nun mal überall, wo sie laufen, pinkeln und kacken. Und habe manchen Aufwand betrieben, um meine Geräte (sie mögen auch Stromkabel) vor ihnen zu schützen.
Ich habe es geschafft, einige Zugänge zu finden und zu verschließen, um den weiteren Zulauf einzudämmen. Ich habe also versucht, mich zu schützen, aber zugleich Arrangements gefunden, mit denen wir alle, ich und die Mäuse, leben konnten.
Hätte ich die einfach die Fallen stehenlassen … wäre sie wahrscheinlich früher oder später darin gestorben. Aber so ist sie auch gestorben. Hätte ich mir also all das sparen können? Ist es egal, was ich tue?

-> Nein, ist es nicht. Einerseits. Weil ich eben ich bin, und durch mein Handeln ausdrücke. Ich kann nicht gegen meine inneren Wahrheiten handeln. Oder die Augen davor verschließen. Der Weg ist das Ziel. Und lässt sich nicht auf sein Ende reduzieren.

-> Und auch Ja. Andererseits. Denn es geschieht eh, was geschehen soll.
Kennst du die vier Gesetze des Lebens, aus der hinduistischen Philosophie? Das zweite dieser Gesetze besagt genau das: „Was geschieht, ist das Einzige, was hätte geschehen können.“
Nichts, absolut nichts, was in unseren Leben geschieht, hätte anders laufen können. Nicht mal das unbedeutendste Detail. So etwas wie „Hätte ich dieses oder jenes getan, wäre es anders gelaufen …“ gibt es nicht. Nein. Was geschehen ist, war das einzige, was geschehen konnte, und es musste genau so passieren, damit wir die Lektion lernen und weitergehen konnten. Jede einzelne Situation in unserem Leben ist perfekt, selbst wenn dein Ego sich dagegen wehrt und es nicht akzeptieren will.

Vielleicht kennst du die Geschichte von Ödipus aus der griechischen Mythologie. Nach seiner Geburt wird prophezeit, dass er seinen Vater töten und seine Mutter heiraten wird. Um dem zu entgehen, soll das Baby getötet werden, doch der damit beauftragte Hirte hat Mitleid und übergibt ihn stattdessen anderen Eltern, bei denen er aufwächst, ohne je zu erfahren, dass er nicht ihr leibliches Kind ist. Als Mann wird dann auch ihm noch einmal dasselbe prophezeit, und er verlässt die Menschen, die er für seine Eltern hält – ein zweiter Versuch, das zu vermeiden, was aber, wie wir später sehen werden, geschehen wird, weil es geschehen muss. Es kommt wie prophezeit, er tötet seinen echten Vater (ohne zu wissen, dass es sein Vater ist) und heiratet seine leibliche Mutter (ebenfalls ohne es zu wissen). Als er irgendwann die Wahrheit erfährt und sieht, was er getan hat, fühlt er sich dennoch schuldig …

– Schuldgefühle. Hatte ich auch. Habe mich gefragt, ob ich es hätte „besser“ machen können. Hatte ich versagt? War ich wieder einmal nicht gut genug? Zwei Menschen aus meinem nahen Umfeld haben das noch verstärkt, indem sie mir vorgeworfen bzw. mit ihren Worten impliziert haben, schuld zu sein am Tod der Maus.

Doch: ich bin gut genug! Ja, ich bedauere es sehr, was geschehen ist. Es tut mir furchtbar leid für die Maus. Und ja, ich heiße die Gelegenheit willkommen, diese Schuldgefühle zu fühlen. Sie anzusehen. Sie sind mir schon früher begegnet … häufig. Und in manchem Kontext, wie z. B. beim Tod meines Sternenkindes, waren sie viel gewaltiger. Es ist wichtig, sie anzusehen … um mich nicht von ihnen beherrschen zu lassen. Nicht bei künftigen Situationen handlungsunfähig, oder entscheidungsunfähig, zu sein, aus lauter Angst, etwas falsch zu machen.

Ich habe nicht unachtsam oder gedankenlos gehandelt. Und ganz sicher nicht absichtlich getötet. Ich habe von Liebe ausgehend und auf Basis meiner Erfahrungen gehandelt. Trotzdem: i am sooooo sorry!

Ich kann „Fehler“ machen. Unabsichtlich etwas tun, was jemand anderem (scheinbar) schadet. Und bin trotzdem noch „gut genug“ und liebenswert. Nicht weniger wertvoll, als wenn es anders ausgegangen wäre … obwohl ich mich dann als Retterin der Maus viel besser gefühlt hätte. Wie überheblich eigentlich … wenn ich bedenke, dass ich nur ein Teil von dem Ganzen bin. Und es auch im Falle eines für die Maus glücklicheren Ausgangs der gestrigen Episode nicht meine „Schuld“, im positiven Sinne „Verdienst“ genannt, gewesen wäre. Ich erinnere mich selbst daran, dass ich das Leben nicht kontrollieren kann, und das auch nicht brauche, sondern dass eben geschieht, was geschehen soll.

Ich kann mein Bestes geben, und es geht trotzdem schief. Bzw. geht nicht so aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Meine Vorstellung von „richtig“ ist nicht gleichbedeutend mit „richtig“ 😉 … oder besser: es gibt kein richtig und falsch. Es geschieht, was geschehen soll.
Ich werfe ja auch der Hündin nicht vor, dass sie die Maus gefressen hat. Sie ist halt ein Hund; es liegt in ihrer Natur, Kleintiere zu jagen und zu fressen. Und diese hier ist ihr praktisch ins Maul gelaufen.

Was mich zu einem weiteren Aspekt der ganzen Episode führt: ich kann niemanden davor retten, in sein*ihr Verderben zu laufen, wenn es nun mal das ist, was er*sie will.




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